© Michael Kestler
Die Stromversorgung in Würzburg
von 1900 bis heute
Inhalt
Ehe 1899 in Würzburg die öffentliche Stromversorgung begann, hatte schon 1884 der Besitzer des "Sanderbräu" Georg Beer
elektrischen Strom zur Beleuchtung seines Wirtsgartens in der Münzstraße eingesetzt.
Um zu verhindern, daß im Schutze der Dunkelheit Gäste den Biergarten ohne zu Bezahlen verließen, erleuchtete er den
Garten mittels zweier Glühlampen, die von einem Generator der Firma Schuckert & Co. gespeist wurden.
Der Magistrat der Stadt beauftragte im Jahre 1897 die Elektrizitäts-AG mit dem Bau eines eigenen Elektrizitätswerkes.
Dieses sollte auf einem Grundstück der Stadt in der Wallgasse errichtet werden. Nach zweijähriger Bauzeit nahm das Werk
dort am 1. April 1899 seinen Betrieb auf. Das Dampfkraftwerk erzeugte Strom mit zwei Dampfmaschinen mit einer Leistung
von zusammen 250 PS. Angeschlossen waren damals 45 Abnehmer. Die Versorgungsspannung betrug 220/110 Volt.
Im Jahre 1900 begann die Elektrifizierung der Würzburger Pferdebahn. Zuerst wurde die Strecke Hauptbahnhof-
Residenzplatz-Weingartenstraße ausgebaut.
Durch die stetige Erweiterung der Nachfrage konnte ab 1910 der Strombedarf nicht mehr aus eigener Erzeugung gedeckt
werden. Deshalb schloß man sich an das Stromversorgungsnetz der Überlandwerke Unterfranken AG an. Die
Stromversorgung über weite Strecken war nur mit Wechselstrom möglich, weshalb ein Drehstrom-Gleichstrom-Umformer
angeschafft wurde. Der Stadtkern wurde aber weiterhin mit Gleichstrom beliefert.
Der Erste Weltkrieg brachte große Rückschläge. Seit 1917 fehlte es an Kohle für die Dampferzeugung im Elektrizitätswerk.
Deshalb wurden sogenannte "Kohlenfeiertage" eingelegt, an denen die Schulen geschlossen waren und die Straßenbahn
nicht fuhr.
Ende April 1923 begann die Stromlieferung aus dem Wasserkraftwerk "Untere Mainmühle", betrieben von der Rhein-Main-
Donau-AG. Das Dampfkraftwerk in der Wallgasse wurde ab 1923 in ein Dieselmotorenwerk umgebaut.
1926 wurde die Drehstrom-Verbrauchsspannung 380/220 Volt eingeführt. Der ständig steigende Bedarf an Elektrizität führte
im Jahre 1927/28 schließlich zum Bau eines neuen Umspannwerkes in der Prymstraße mit einer Trafoleistung von 10
Megawatt. Im Erdgeschoß eingebaute Schaufenster zeigten die neuesten elektrischen Geräte. Unterrichtsstunden mit
Lehrfilmen zum Thema "Wie benutze ich meine Elektrogeräte richtig" wurden dort ebenfalls angeboten.
Nach der Zerstörung Würzburgs am 16.März 1945 musste auch bei der Stromversorgung wieder von Vorne begonnen
werden. Das Werk in der Wallgasse wurde total zerstört und mit ihm etwa 70 % aller elektrischen Versorgungsanlagen im
Stadtgebiet. Bis Anfang der 50er Jahre waren immer wieder Stromabschaltungen an der Tagesordnung. Der durch den
Wiederaufbau und das beginnende Wirtschaftswunder bedingte, ständig steigende Strombedarf zwang zur zügigen
Umstellung des alten Gleichstromnetzes auf den "leistungsfähigeren" Wechselstrom.
Weitere Informationen finden Sie z.B. in dem Buch "Taghell war die Nacht erleuchtet" von Werner Dettelbacher, das im
neuen Kundenzentrum der WVV am Haugerring 5 auch erhältlich ist. Objekte zur Geschichte der Elektrifizierung Würzburgs
finden sie im Alten Gaswerk in der Ständerbühlstraße.
Das Heizkraftwerk an der Friedensbrücke wurde im Jahr 1954 errichtet. Am 11. November 1954 entzündet die Kriegswaise
Gertraud Hartzke das erste Feuer im Kessel des neuen Heizkraftwerkes. In der ersten Ausbaustufe werden zwei Kessel mit
einer Leistung von 40 Tonnen Dampf pro Stunde aufgestellt. In dieser ersten Ausbaustufe verfügt das HKW über zwei
Kamine.
Die Montage der zweiten Ausbaustufe beginnt im Frühjahr 1958. Planmäßig wird ein dritter Ofen mit einer Leistung von 64
Tonnen Dampf pro Stunde bei maximal 84 bar aufgestellt und deswegen ein dritter Kamin installiert. Zwei Generatoren mit
je 10.000 Kilowatt Leistung produzierten elektrisch Energie. Im Jahr 1967 werden die drei kleinen Kamine abgebaut. Ab
1968 ist der Einzelkamin ganz in Betrieb genommen. Mehr als 36 Jahre prägt der in der Öffentlichkeit zuerst als „Würzburger
Spargel“ bezeichnete Schlot das Stadtbild mit.
1987 wird durch Friedrich Ernst von Garnier das Erscheinungsbild des HKW neu gestaltet. Durch sonnige Farben und eine
neue Farbordnung werden Kraftwerk und Schornstein zu „optimistischeren Großmöbeln“ umgestaltet, die eine „farbliche
Umweltverbesserung“ bedeuten. Der erste Modernisierungsabschnitt erfolgte im Jahr 2005. Der Kohlelagerplatz wurde
überbaut und eine Gas- und Dampfturbinenanlage (GuD I) installiert. Die neue Gas- und Dampfturbinenanlage verwendet
Erdgas als Primär-Energieträger. Am 18. September 2003 wurde der symbolische Spatenstich für das neue Heizkraftwerk
ausgeführt. Die Bauarbeiten benötigen knapp eineinhalb Jahre. Die letzte Lieferung Kohle traf im Heizkraftwerk am 22.
August 2003 ein. Von 1955 bis 2003, über 48 Jahre lang, lieferten 2.161 Schiffe knapp 1,9 Millionen Tonnen Kohle an das
Heizkraftwerk.
Im Juni 2004 trifft die neue Gasturbine ein. Ab dem 10. August 2004 werden die neuen Kamine errichtet, ab dem
25. Oktober 2004 wird der alte Kamin rückgebaut. Die Anlage GuD I geht am 17.01.2005 in den kommerziellen Betrieb.
Markant für den Betrachter: Der große Sammelkamin von 1968 ist abgebaut. Heute hat das HKW wieder drei „kleine”
Kamine, wie in der „zweiten Ausbaustufe” von 1958 bis 1968.
Im August 2007 hat der zweite Modernisierungsabschnitt begonnen. Der Kohleblock II wurde zur Anlage GuD II. Dazu
wurde an Stelle des Gewebefilters II die Gasturbinenanlage GT II errichtet und der Kohlekessel K II zum Abhitzekessel K II
umgebaut. Der Probebetrieb fand im Januar 2009 statt und am 22. Mai 2009 war die offizielle Inbetriebnahme der GuD-II-
Anlage. Mit insgesamt 125 Megawatt elektrischer Leistung ist die Heizkraftwerk Würzburg GmbH drittgrößter kommunaler
Energieerzeuger in Bayern.
Die beiden Gasturbinen können eine elektrische Leistung von 75MW zur verfügung stellen, die beiden Dampturbinen können
eine elektrische Leistung von 50MW zur Verfügung stellen (weitere Infos hier).
Neben dem Heizkraftwerk an der Friedensbrücke gibt es in Würzburg weitere größere Kraftwerke die die Energieversorgung
sichern sollen. Das Müllheizkraftwerk kann eine elektrische Leistung von 25MW liefern, das BHKW in der Berner Straße kann
eine elektrische Leistung von 1,1MW liefern. In den letzen Jahren sind zusätzlich viele Kraftwerke aus regenerativen
Energien hinzugekommen die per Winkraft, Photovoltaik oder Wasser zusätzlich Energie produzieren und die vorhandenen
konventionellen Kraftwerke entlasten.
Die Mainfrankennetze, der heutige Betreiber des Würzburger Stromnetzes, versorgt über ein Leitungsnetz mit einer
Gesamtlänge von über 2600 Kilometern rund 50.000 Häuser und rund 26.000 Straßenleuchten in Würzburgs mit Stom.
Im Jahr 2016 wurden in Deutschland brutto 648,4 Mrd. kWh Strom erzeugt. Der Bruttoinlandsstromverbrauch in
Deutschland lag bei 594,7 Mrd. kWh. Die WVV lieferte über 1,1 Mrd. kWh an ihre Kunden.
Quellen: Onlineveröffentlichungen